Man sieht es ihr wirklich nicht an. Die kleine Jungfrau aus Kopenhagen feiert in diesem Monat ihren 100. Geburtstag. Die Bronze bewegte sich ein Jahrhundert lang fast nie vom Fleck und blickt trotzdem auf eine bewegte Lebensgeschichte zurück. Wussten Sie zum Beispiel, dass die berühmteste Statue des Königreiches Dänemark schon zweimal geköpft wurde und einmal sogar eine Reise nach China unternahm?
Den lille Havfrue
So heißt die kleine Meerjungfrau auf Dänisch. Wer mit dem gleichnamigen Märchen des dänischen Schriftstellers Hans Christian Andersen, das dem Bildhauer Edvard Eriksen vor gut 100 Jahren als Inspiration für die Bronzefigur im Kopenhagener Hafen diente (Modell für die Wassernixe stand ihm übrigens seine eigene Frau.) vertraut ist, der weiß natürlich, dass die kleine Meerjungfrau auf dem Land nicht sprechen kann. Könnte sie sprechen, hätte sie uns wahrscheinlich einiges zu erzählen.
Die berühmteste Touristenattraktion Kopenhagens ist nur knappe 125 Zentimeter groß und sitzt schon seit dem 23. August 1913 auf ihrem Felsen an der Uferpromenade Langelinie. Angeblich ist die Bronze mit ihrem wehmütigen Blick nur eine Kopie des Originals, das sich noch immer im Familienbesitz des Künstlers befindet. Wenn man bedenkt, was die kleine Meerjungfrau in den letzten 100 Jahren alles durchmachen musste, wäre es wahrscheinlich auch besser so.
Die Statue liegt nämlich nicht nur bei Touristen sondern auch bei Vandalen hoch im Kurs. So verlor sie schon zweimal den Kopf (am 24. April 1964 und 6. Januar 1998) und einmal den rechten Arm (am 22. Juli 1984). Übeltäter griffen bei ihren Attacken sogar schon zum Sprengstoff. So wurde die Statue am 1. September 2003 komplett aus ihrem Felsen gesprengt.
Auch Farbattacken waren nicht selten. Bei einer der letzteren wurde die kleine Meerjungfrau am 3. März 2007 anlässlich einer Demo mit rosa Farbe eingesprüht. Auch wenn es ihr trauriger Gesichtsausdruck nicht verrät, sie hat auch gute Zeiten erlebt. So flog sie im März des Jahres 2010 sogar nach China, wo sie im dänischen Pavillon der Expo in Shanghai urlaubte.
Meerjungfrau mit Copyright
Eine besondere Ehre wurde ihr letztes Jahr zuteil, als in der dänischen Stadt Helsingør nach ihrem Vorbild eine männliche Skulptur mit den Namen „Han“ (dänisch: er) enthüllt wurde. Die lebensgroße Statue aus Edelstahl wird trotz seines Glanzes wohl noch viele Jahre, wenn nicht für immer, im Schatten der kleinen Meerjungfrau aus Kopenhagen stehen.
Wer sich jetzt auch eine kleine Meerjungfrau in seinem Garten aufstellen möchte, der sei gewarnt. Erlaubt sind nur offizielle, nicht ganz billige, Kopien aus dem Hause Eriksen. Die Familie besitzt nämlich noch bis zum Jahr 2029 (70 Jahre nach dem Tod des Künstlers) alle Rechte an der Statue.
Bei all den Strapazen, die die Statue im Laufe ihres Daseins ertragen musste, wären am 23. August königliche Geburtstagswünsche fast schon angebracht, meinen Sie nicht?